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Freitag, 16. Oktober 2009

Neapelreise mit Dr. Peter Peter

Ich lernte Dr. Peter Peter, Buchautor und Italienkenner, bei einer Lesung in der Buchhandlung Röttges, Herne, im Frühjahr kennen. Er las aus seiner Kulturgeschichte des Essens in Deutschland. Ähnliche Bücher über Kunst und Essen hat Dr. Peter Peter auch über Italien und Sizilien geschrieben. In seiner Einladung spricht er über Neapel als die Stadt der Sinnlichkeit, des Chaos, der Musik und des Mülls, einer ehrlichen Küche und nicht zuletzt der Canzone. Daher haben wir uns direkt für eine acht tägige Slow Food Reise an den Golf von Neapel angemeldet.

Unser Interesse galt dem Essen und der Kultur. Zunächst also das Essen. Die neapolitanische Küche ist eine einfache bürgerliche Küche, die satt macht und weniger aus Finessen besteht. Was sie unschlagbar macht, sind die hervorragenden Zutaten, die Qualität des Fisches und der übrigen Produkte aus der Landwirtschaft. In Süditalien wird weitgehend kleinteilig gewirtschaftet. Die Produzenten legen größten Wert auf hohe Qualität. Massenprodukte kann man im Supermarkt finden. Der echte Neapolitaner kauft in seinem Viertel ein, wo es den Bäcker, Metzger, Gemüse- und Fischhändler noch gibt. Wir haben kein Fleisch gesehen, was in Folie verpackt war. Hier werden noch ganze Hälften zerlegt und verkauft. Auch der Bäcker backt täglich sein Chiabatta, was sich deutlich von der Fabrikqualität unterscheidet. Eine besondere Stärke der Stadt sind die Konditoren und Schokolaterien, die Ihre vielfältigen Produkte in kleinen Mengen von Hand herstellen.

Die Gastronomie ist so unterschiedlich, wie sie nur sein kann. Vom Sternelokal bis zur kleinen Trattoria, wo wirklich die einfachen Leute gut in mehreren Gängen speisen. Hier wird noch nach alten Rezepten gekocht, was nicht unbedingt unserem Geschmack entspricht. z. B. Bruchnudeln mit Kichererbsen, Spagetti ohne Tomaten nur mit Öl und etwas Käse, dieses Gericht ist das Ur-Spagetti Gericht und wird mit den Fingern gegessen. Für uns völlig neu war ein Brotsalat aus altbackenem Brot mit Tomaten und Paprika, Kaninchensalat á la Thunfisch oder Dickmilch mit Zitronenschale, Salz und Pfeffer. Auch die berühmte Fleischsauce wird anders zubereitet: das Gehackte vom Rind wird zusammen mit vielen reifen Tomaten oder Tomatenmark mind. 8 - 12 Stunden eingekocht ohne viele Gewürze. Der Geschmack ist mit den konzentrierten Tomaten eine Einheit. Von dieser Sauce wird nur sehr sparsam Gebrauch gemacht. Die diversen Muschel- und Fischgerichte sind unüberschaubar. Es werden immer ganze Fische verwendet, Fischfilets sind unbekannt. Die Muscheln haben ein Gehäuse, das wird natürlich mit serviert. Alle Fische haben Augen und schauen den Gast auf dem Teller an. Hier scheiden sich die Geister. Mit Augen, Gräten und Schwänzen werden viele Besucher aus Deutschland nicht mehr fertig, man ekelt sich. Natürlich ist man gleichzeitig stolz auf unsere "fortschrittliche" Esskultur. Wir haben es längst verlernt, mit natürlichen Lebensmitteln umzugehen und damit zu kochen.

So macht ein Neapelbesuch glücklich und traurig gleichzeitig, zumal man erkennt, was wir schon nicht mehr haben. Für viele Deutsche ist die wichtigste Information das Preisschild und die Frage, wie viel Arbeit macht das Kochen oder besser gesagt das Warmmachen, was viele schon für kochen halten. Wir waren schon hoffnungslos vom Neapelvirus infiziert. Wir unternahmen z.B. eine kleine Schiffsreise nach Sorent, dem Hauptanzugspol des Tourismus, nur um oberhalb der Stadt auf einem alten Landgut, mitten in Zitronen- und Olivenhainen, ausgiebig zu Mittag zu essen, um dann möglichst schnell wieder aus dem Trubel der Stadt zu verschwinden. Dennoch: eine Pizza kann man in Neapel genauso gut oder schlecht essen, wie hier. Lediglich die frischen aufgelegten Tomaten sind besser. Ob in Neapel immer nur echter Käse verwandt wird, wage ich zu bezweifeln.

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